3. Der Inndamm
3.1. für xerothermophile Arten
Auf den wasserdurchlässigen, nährstoffarmen und sonnenexponierten Dammabschnitten haben sich artenreiche Halbtrockenrasen entwickelt, die einer Vielzahl von xerothermophilen Insektenarten als Habitat dienen.
Darüber hinaus vernetzen sie vergleichbare Lebensräume miteinander. Dies nicht nur im Nahbereich, zum Beispiel den „Brennenstandorten“, sondern in Verbindung mit Straßenrändern oder, wo vorhanden, Bahndämmen auch hinein in die Fläche. So kann zum Beispiel das Auftreten des Deutschen Sandlaufkäfers (Cylindera germanica) oder ganz aktuell des Wiener Sandlaufkäfers (Cylinderaarenaria viennensis) am sogenannten „Biotopacker“ nur durch Zuwanderung über den Inndamm erklärt werden. Hier wurde ersterer zuletzt vor 1980 nachgewiesen. Wanderbewegungen durch lebensraumfremdes Terrain werden von der ausbreitungsschwachen Art ausgeschlossen. So muss die Art in der Region (vermutlich am Damm) überdauert haben und konnte nun so im „Biotopacker“ eine Individuen starke Population bilden, die jedoch auf entsprechende Pflege angewiesen ist. Bereits jetzt kommt den Dämmen zudem eine wichtige Rolle bei der Ausbreitung von wärmeliebenden Arten zu, die bei einer prognostizierten Klimaerwärmung noch an Bedeutung zunehmen wird.
So konnte die Ausbreitung von Nachtkerzenschwärmer (Proserpinus proserpina), Kurzschwänzigem Bläuling (Cupido argiades), der Kadens Staubeule (Platyperigea kadenii) und weiterer Insektenarten wie Schabrackenlibelle (Hemianax ephippiger), Östlicher Blaupfeil (Orthetrum albistylum) und Trauerrosenkäfer (Oxythyrea funesta) entlang der Flusssysteme von Donau und Inn recht gut dokumentiert werden.
Typische seltenere Arten und Arten der Roten Liste, denen die xerothermen Dammbereiche mittlerweile als Habitat dienen, sind zudem unter anderem: Idas-Bläuling (Lycaeides idas), Wolfsmilchschwärmer (Hyles euphorbiae), Labkrautschwärmer (Hyles galii), Wolfsmilch-Rindeneule (Acronicta euphorbiae), Skabiosenschwärmer (Hemaris tityus) sowie der Kleine Tatzenkäfer (Timarcha goettingensis). Nicht zu vergessen die Kolonien der Weiden-Sandbiene (Andrena vaga) auf den Dämmen sowie einigen Magerstandorten, von denen weitere Arten wie Ölkäfer und Wollschweber abhängig sind. Derzeit sind größere Dammabschnitte, wie etwa auf Höhe Aigen am Inn, sehr strukturarm. Hier fehlen die für Insekten aber auch für Vögel und Reptilien wichtigen „Störstellen“, also Bereiche, die die Monotonie in diesem Bereich unterbrechen.
3.2. für mesophile und ubiquäre Arten
Abseits der sonnenexponierten Bereiche haben sich ebenfalls artenreiche, von der Pflege abhängige, weniger xerotherme Wiesenstandorte entwickelt. Am ehesten lassen sich diese mit extensiv bewirtschafteten Wiesen im Kulturland vergleichen, wie sie heute bestenfalls noch bei einigen „Biolandwirten“ zu finden sind. Vielen Schmetterlingsarten, die vor einigen Jahrzehnten noch häufig auf solchen Wiesen zu beobachten waren, dienen heute offene Dammabschnitte als Ersatzlebensraum. Auch wenn Arten wie Schwalbenschwanz (Papilio machaon), Schachbrett (Melanargia galathea), Goldene Acht (Colias hyale), Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus), Aurorafalter (Anthocharis cardamines), Wachtelweizen-Scheckenfalter (Melitaea athalia) oder Gemeines Blutströpfchen (Zygaena filipendulae) in den Roten Listen noch nicht erwähnt werden, bedeutet das nicht, dass sie nicht bedroht sind. Hier war die Negativentwicklung der letzten Jahre oft schneller als die Fortschreibung der Roten Liste.
Diese „Allerweltsarten“ haben mit die stärksten Bestandseinbußen in den letzten Jahren hinnehmen müssen. Die Bedeutung solcher Dammabschnitte hat daher für diese Arten von Jahr zu Jahr zugenommen. Auch für sie haben die Dämme eine unverzichtbare Vernetzungsfunktion und begünstigen die Ausbreitung zahlreicher Arten. Als zunehmendes Problem muss jedoch die noch immer fortschreitende Besiedlung weiter Bereiche durch Neophyten wie Kanadischer Goldrute (Solidago canadensis), Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera), Feinstrahl (Erigeron annuus) und lokal auch Knötericharten (Fallopia spec.) betrachtet werden, die diese Standorte zusehends entwerten.